Felix´s Impulse 88/ 2021
Auf der Zielgeraden meines Selbstversuchs. Home-Exerzitien geht in der Tat. Aber würde ich es wieder machen oder doch eher ins Kloster gehen?
Unterschied Kloster- vs. Home-Exerzitien1
Was ist der gravierenste Unterschied zwischen Exerzitien im Kloster und zu Hause? Was ist besser oder leichter? Um mit Letzterem anzufangen, ich weiß es noch nicht abschließend. Optische Reize gibt es Zuhause mehr als im Kloster. Angefangen mit Hunderten von Büchern, über Gegenständen, Wohn-Accessoires und damit verbundenen Erinnerungen. Da ich außer morgens zum Joggen die Wohnung nicht verlasse, den Briefkasten nicht leere und die Klingel ebenso wie Telefon und Internet abgestellt habe, gibt es keine Ablenkung von außen.
Im Kloster würde ich neben joggen auch spazierengehen, durch die Klosteranlage und die Umgebung. In der Kirche oder der Kapelle verweilen und mir Orte zum Meditieren suchen.
Für kontemplative Abwechslung sorgen zu Hause das Zubereiten der Mahlzeiten, Tischdecken, Abräumen, Spülmaschine ein- und ausräumen, Staubsaugen oder Dusche reinigen. Da Zeit keine Rolle spielt, es scheint genug vorhanden zu sein, sind diese Dinge, die mir im normalen Alltag lästig sind, plötzlich willkommene Abwechslungen zwischen den Meditationsphasen.
Der gravierende Unterschied besteht darin, dass Exerzitien zu Hause eine bewusste Quarantäne sind. Viele mussten im letzten Jahr in Corona-Zwangs-Quarantäne und können das Gefühl vielleicht nachempfinden. Für mich bedeutet das, dass ich nach dem Joggen, ab ca. 9:30 Uhr in meiner Wohnung alleine, schweigend und ohne Ablenkung bin. Damit ist ein Tag, der sonst meistens gefühlt zu kurz ist, auf einmal sehr lang. Vom Frühstücken um 10 Uhr bis zum Schlafengehen um 21 Uhr sind es elf Stunden, die gefüllt werden wollen. Das ist ganz ehrlich die größte Herausforderung für mich. Ruhe und Schweigen in Einsamkeit zu ertragen und zuzulassen.
Ein großer Unterschied zwischen Kloster und zu Hause sind optimale Heizung, dicke Pullover in ausreichender Menge und Decken zum Meditieren. Damit es immer schön warm ist.
Glaubensätze und Orientierung
Was brauche ich wirklich? Was ist mir wie wichtig? Welche Bedeutung messe ich den Dingen bei? Wie kommt mein Umfeld damit klar? Brauche ich vielleicht ein Umfeld, welches zu meinem Leben passt? Wie würde ich leben, wenn ich so reich wäre wie Bill Gates, Elon Musk oder Mark Zuckerberg? Was ist wirklich wichtig im Leben?
Auf diese Frage würde die Mehrheit der Menschen wahrscheinlich antworten: Gesundheit, Sicherheit (was auch immer das im Einzelnen ist), einen guten Job (wie auch immer dieser aussieht), ein Haus und einen Partner.
Wenn Gesundheit für die Mehrzahl wahrscheinlich das wichtigste ist, warum gehen so viele so sträflich mit ihrem wichtigsten Gut um? Deutschland verfettet, nicht das Land, aber seine Bewohner. Jeder Dritte2 gilt als Übergewichtig. Das gilt auch schon für Kinder. Lieber Fett und in der Folge Herz-Kreislauf- und/ oder Knochenprobleme statt regelmäßig Sport und gesunde Ernährung. Interessante Ambivalenz zwischen Wunsch und Realität.
Erst unsere zunehmend kranke, degenerierte Gesellschaft macht den Einzelnen, auch mich, glauben, dass Reisen, ein Auto, die modernsten Klamotten oder ein Smartphone der neuesten Generation ein Muss ist. Solange wir uns vergleichen kommen wir aus in diesen gesellschaftlichen Sachzwängen nicht heraus. Wir definieren uns hierüber. Ich bin Mensch wenn ich das und das besitze. Dann bin ich wertvoll im Auge der Gesellschaft. So blenden wir uns selber. Vergleichen ist der Anfang vom Ende. Beraubt mich meiner Freiheit, meiner Eigenständigkeit.
Ich kann mich hier von leider auch nicht ganz frei machen. Verreisen, regelmäßig gut essen gehen, chicke Klamotten, tolle Weine trinken, Konzerte besuchen und so weiter. Gefällt mir auch gut und möchte ich auch nicht missen. Ganz ehrlich, dafür arbeite ich, unter anderem. Arbeiten zum Leben, nicht Leben zum Arbeiten. Obwohl Arbeiten ein wichtiger Teil meines Lebens ist und ich mich hierrüber insofern „definiere“, weil ich durch Arbeit – die mir Freude bereitet – ein soziales Standing habe. Ohne Job hätte ich das nicht und könnte mir, die für mich schönen Dinge, nicht leisten.
Es ist Zeit ein Fazit zu ziehen.
Würde ich Home-Exerzitien nochmals machen?
Klares Nein. Es gibt zu viele Ablenkung durch das häusliche Umfeld.
Würde ich Exerzitien, wie ursprünglich geplant im Kloster, nochmals machen? Klares Ja. Vor 10 Jahren hat mir das gut gefallen und auch gut getan. Also, warum nicht. Sicherlich nicht morgen. Vielleicht auch erst wieder in zehn Jahren.
Hat es mir etwas gebracht?
Auch hier ein klares Ja. Ich fühle mich insgesamt sortierter, ausgeglichener und erholt. Darüber hinaus habe ich Energie getankt, Ideen entwickelt, die umgesetzt werden wollen. Ich bin auch neugierig, wie diese Auszeit nachwirkt und ob sie überhaupt nachwirkt. Es waren bereichernde Tage, weil es tatsächlich möglich ist das Tempo der Gedanken zu verändern und den Kopf zu leeren, auszumisten. Auch, wenn immer nur kurz, so war und ist es spannend die Momente, die Sekunden der gefühlten Leere zu erleben. Ich kann jedem empfehlen diese Erfahrung mal zu machen. Ideal beim ersten Mal drei Tage des Schweigens im Kloster. So habe ich auch vor über 20 Jahren meine ersten Exerzitien gemacht.
Wundervolle Impulse für die nächste Woche.
Bleibe inspiriert.
Holger
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1 Auszug aus dem Exerzitien-Tagebuch – Anmerkung
Die Inhalte im Exerzitien Tagebuch sind thematisch nicht geordnet, eher willkürliche, da sie „lediglich“ die Niederschrift meiner jeweiligen Gedanken waren. Für die Lesefreundlichkeit habe ich sie aus dem zeitlichen Kontext gerissen und in einen thematischen überführt. So ist hoffentlich ein sachlogischer Zusammenhang entstanden.
2 Hintergrundinformation für Wissensdurstige: https://www.dge.de/presse/pm/so-dick-war-deutschland-noch-nie/?L=0&cHash=242dddc900298150f72ae9df96162a4d und https://www.kinderaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/who-studie-jeder-fuenfte-jugendliche-in-deutschland-ist-zu-dick/