Wochen-Impulse

Sinnstiftende Arbeit macht gesund und glücklich.

Wochen-Impulse 22/2019

Was ist ein sinnvoller Job? Darauf hat natürlich jeder eine eigene Antwort. Sinn bedeutet für jeden etwas anderes. Die Sinnhaftigkeit einer Tätigkeit wird daher immer subjektiv ausfallen. Tatjana Schnell, Universität Innsbruck, Arbeitsgruppe Empirische Sinnforschung, findet es wichtig zwischen einem sinnvoll erlebten Beruf und einer Sinnquelle zu unterscheiden. „Ein sinnvoller Job ist nicht unbedingt einer, der meinem Leben einen Sinn gibt.“ Manche Menschen können zum Beispiel eine monotone Arbeit als sinnvoll empfinden, weil sie die Familie ernährt.

Ein Blick auf die Bedürfnispyramide von Maslow unterstreicht diesen Gedanken. Wer seine Grundbedürfisse (Essen, Trinken, Schlafen, Sexualität) noch nicht dauerhaft befriedigt hat, den wird es zunächst wenig kümmern wie sinnstiftend der Job für ihn ist. Hier liegt der Sinn im Einkommen zur Grundsicherung. Erst in der fünften und obersten Stufe geht es um Selbstverwirklichung. Das wiederum ist gleichbedeutend mit der dauerhaften Befriedigung sämtlicher Aspekte der ersten vier Stufen.

Die Ansprüche an einen Job haben sich verändert. Vor allem die jüngere Generation betrachtet Arbeit mit anderen Augen als die Vätergeneration – es wird nach der Sinnhaftigkeit der Tätigkeit gefragt. Die Antwort findet man nur, indem man tut, was man kann und was man will. Vor diesem Hintergrund stehen Unternehmen zunehmend häufiger vor einer ganz neuen Herausforderung. Auch, weil Gehaltserhöhung oder Boni längst nicht mehr das Einzige sind, was sich Arbeitnehmer für ihren Job wünschen.

Bei der Betrachtung von neuen Anforderungen an eine Arbeit wird eines ganz schnell deutlich: da geht es um mehr als das Gehalt. Nicht alles, was ich gut und erfolgreich mache, mache ich automatisch auch gerne. Vielmehr geht es im Job um Sinn, Lebenszeit und Beziehungen. Das ist der Grund warum ein topausgebildeter Controller sich plötzlich entscheidet, Erzieher zu werden. Warum eine Juraabsolventin Hebamme wird. Und warum immer mehr junge Menschen lieber mit wenig Geld um die Welt reisen, anstatt Karriere zu machen.

People first ist die neue Devise.

Bisher haben Arbeitgeber die Regeln für den Job bestimmt. Zukünftig werden das die Mitarbeiter machen. Die Generation Y ist hier schon ganz weit vorne. Man wird im Job überwiegend nach Zeit, anstatt nach Leistung bezahlt. Da kann es schon einmal vorkommen, dass man bei schönstem Sommerwetter noch 4 Stunden Zeit im Büro absitzen muss, obwohl man alle Aufgaben längst erledigt hat. Nicht wenige Berufseinsteiger fühlen sich da im neuen Job schnell wie in einem Hamsterradm – die Luft ist raus, die Motivation weg.

„Menschen, die sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren, machen eher Überstunden, engagieren sich mehr und wechseln seltener den Job. Das bestätigen Studien schon seit vielen Jahren. Doch unter welchen Umständen identifizieren sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besonders mit ihrem Arbeitgeber?“1 In einem Interview mit ZEIT Online erklärt der Arbeitspsychologe Theo Wehner2 warum gute Bezahlung und Boni nicht mehr ausreichen, um Mitarbeiter langfristig an sich zu binden. „Der Grund aber, warum einige Menschen gerne zur Arbeit gehen ist, weil sie dabei zeigen können, wie gut sie sind, und so Wertschätzung erfahren. Wenn Menschen sich mit dem Inhalt ihrer Arbeit und dem Unternehmen, für das sie arbeiten, identifizieren, sind sie am zufriedensten. Gäbe es keinen finanziellen Druck, würde die Identifikation mit dem Unternehmen eine noch viel größere Rolle bei der Jobwahl spielen. […] Heute erwarten wir von einem Unternehmen sinnstiftende Aufgaben, kreative Freiheiten und gemeinwohlorientierte Unternehmensziele. Der Anteil an Unternehmen, die mit ihrer Arbeit – egal ob in Form von Dienstleistungen oder der Produktion von Waren – einen sozialökologischen Mehrwert verfolgen, wächst stark an. Viele Menschen wollen heute bei einem Unternehmen arbeiten und einkaufen, in dem ökologisch und menschlich gedacht wird. Bei einem Unternehmen, wo weder die Mitarbeiter noch die Zulieferer oder die Kundinnen über den Tisch gezogen werden. Das heißt nicht, dass Geld und Status heute als Motivationsquelle ausgedient hätten. Aber viele Menschen sind bereit, bei Geld und Status Einbußen zu machen, wenn sie ihre Aufgabe als sinnvoll erachten.“

Unterschiedliche Studien aus Europa und den USA haben gefragt: „Würden Sie für sinnvolle Aufgaben auf Lohn oder Status verzichten?“ Unabhängig ob Management, untere Ebenen, Mittelständler oder Konzern, mehr als zwei Drittel der Befragten beantworteten die Frage positiv. Erscheinen die Aufgaben und das Miteinander sinnvoll, so ist das von höherer Bedeutung als ein höherer Status oder eine Gratifikation. Das gilt im übrigen auch für Fließbandarbeit; auch hier wollen die Mitarbeiter sagen können: „Hinter diesem Arbeitgeber und diesem Team kann ich stehen.“

Millionen Menschen sind in Bullshit-Jobs gefangen, sagt der US-amerikanische Ethnologe David Graeber. Diese Jobs sind frei von jeder Sinnhaftigkeit. Anzutreffen in aufgeblähten Konzernen, Amtsstuben und Parlamenten – Daseinsberechtigung als Legitimation für Sinn. Roboter könnten den Job auch und werden ihn zukünftig zunehmend erledigen. „Da ist zum Beispiel die Geschichte von Kurt, der für ein Subunternehmen eines Subunternehmens eines Subunternehmens der deutschen Bundeswehr arbeitet. Und die Geschichte geht so: Zieht ein Soldat von einem Büro in ein anderes, kann er nicht einfach den Computer über den Flur in das neue Arbeitszimmer tragen. Der Soldat muss ein Formular ausfüllen, das an einen IT-Dienstleister der Bundeswehr geht. Der sichtet den Vorgang und leitet ihn an ein Logistikunternehmen weiter. Das sichtet den Vorgang und beauftragt einen Personaldienstleister. Der sichtet den Vorgang und weist schließlich Kurt per E-Mail an, einen Leihwagen abzuholen und damit Hunderte Kilometer durchs Land zu der Kaserne zu fahren. In der Kaserne packt Kurt den Computer in eine Kiste, trägt sie in das neue Büro des Soldaten, baut ihn dort auf und lässt sich den Vorgang gegenzeichnen. Was für ein Schwachsinn.“3

Auch wegen dieser Bullshit-Jobs und der Rentenlüge bin ich ein großer Freund des bedingungslosen Grundeinkommens. Wenn Geld nicht mehr Antrieb und Druckmittel gleichermaßen darstellt, haben die Menschen die Möglichkeit selbstbestimmt und sinnstiftend zu arbeiten. Durch die Entkoppelung von Zeit, Geld und Zwang entsteht Freiraum für Kreativität und damit Sinnhaftigkeit bei der Arbeit. Das ist Motivation pur – von Innen. Darüber hinaus reduzieren sich die Fehlzeiten durch Krankheit – volkswirtschaftlich durchaus beachtenswert bei rund 670 Millionen Ausfalltagen in 2017.

Job mit Sinn macht gesünder.

Der Fehlzeiten-Report der AOK benennt drei Dinge, die Sinn stiften: Am wichtigsten ist demnach die Atmosphäre, dass man sich mit Kollegen gut versteht und ein gutes Verhältnis zu Vorgesetzten hat. Das Berufsmerkmal „sichere und gesunde Arbeitsbedingungen“ wird so auch von 94 Prozent der Befragten als wichtig oder sehr wichtig eingeschätzt – mehr als jedes andere. Am zweitwichtigsten (bei der Frage nach der Sinnhaftigkeit) ist „das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun“ (93 Prozent). An dritter Stelle steht, ob und wie man persönliche und berufliche Ziele im Job verwirklichen kann.

Menschen, die demnach Sinn in ihrem Job sehen, haben weniger Fehltage. Der positive Effekt eines GoodJobs wirkt auch in die andere Richtung. Wer also keinen Sinn in der eigenen Arbeit sieht und sich nicht wohlfühlt, ist häufiger krank und leidet öfter an entsprechenden Beschwerden.

Da stellt sich natürlich vor allem für Arbeitgeber die Frage, wie man ein solches Klima schafft, in dem sich die Mitarbeiter wohlfühlen, Sinn empfinden – und gesund bleiben. Laut AOK-Fehlzeiten-Report gibt es bei so ziemlich allen Aspekten, die Beschäftigten wichtig sind, Diskrepanzen zur Wirklichkeit. Interessanterweise ist es gerade beim Punkt, dass das „Unternehmen von Nutzen für die Allgemeinheit ist“, genau umgekehrt: Etwa 75 Prozent sagen, das sei ihnen wichtig. Aber noch mehr (76 Prozent) sagen, das treffe auch zu.

Diese Ergebnisse stehen im Kontrast zu einem Wunsch, den fast alle Befragten an ihren Beruf haben: 94 Prozent sagen, dass ihnen sichere und gesunde Arbeitsbedingungen wichtig seien. Fast genauso viele, nämlich 93 Prozent, geben an, dass es ihnen in ihrem Beruf wichtig ist, etwas Sinnvolles zu tun. Ein gutes Gehalt finden dagegen nur 61 Prozent wichtig. Der Fehlzeiten-Report zeigt, dass Gesundheit und Sinn zusammenhängen: Menschen, die ihren Job als wenig sinnhaft erleben, leiden häufiger als andere unter Beschwerden. Beispielsweise berichten von ihnen 57 Prozent über Erschöpfung – aber nur 33 Prozent derjenigen, die Sinn in ihrer Arbeit sehen.

Wie sinnstiftend ist Dein Job? Macht er dich glücklich?

Ich wünsche Dir wundervolle Impulse für die nächsten 7 Tage.
Bleibe inspiriert.

Holger

1www.zeit.de, „Sinn ist die beste Motivationsquelle überhaupt“

2Theo Wehner, geboren 1949 in Fulda, ist Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie am Zentrum für Organisations- und Arbeitswissenschaften an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH).

3https://www.zeit.de/arbeit/2018-09/bullshit-jobs-david-graeber-buch-aufsicht-vorgesetzte-rezension/komplettansicht?print

Weitere Quellen: Die Zeit www.zeit.de, Wissenschaftliches Institut der AOK www.wido.de/fzreport.html, Gallup-Institut Engament Index Deutschland 2018

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