Wochen-Impulse 23/2019
Flexibilität hat ihren Preis: Wer zeit- und ortsflexibel arbeitet ist produktiver, macht mehr Überstunden und ist stressanfälliger. Zahlreiche Studien haben dies ergeben, sagt Kerstin Rieder, Professorin für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Aalen.
Höhere Produktivität, aber auch mehr Arbeitszeit im Home Office.
Kerstin Rieder befragte hierzu gemeinsam mit der Arbeitssoziologin Vogl und einem Team aus dem Forschungsprojekt „Präventionsorientierte Gestaltung mobiler Arbeit – Prentimo“ mehr als 3.500 Beschäftigte. Das Ergebnis der bislang unveröffentlichten Studie: Menschen, die mobil und flexibel arbeiten, sind häufig zehn Stunden und mehr pro Tag beschäftigt. Damit arbeiten sie mehr als Menschen, die einen Arbeitsorte mit geregelten Zeiten haben. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen die Wirtschaftswissenschaftler Michael Beckmann und Kira Rupietta von der Universität Basel. Sie haben herausgefunden, dass Mitarbeiter im Home Office im Schnitt 2,5 Stunden pro Woche mehr arbeiten als die Kollegen vor Ort. Und wer nicht nur ab und an, sondern täglich zu Hause arbeitet, schenkt seinem Unternehmen pro Woche ganze sechs Stunden seiner Arbeitskraft.
Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat herausgefunden, dass Mütter und Väter mit flexiblen Arbeitszeiten oder Home Office länger als Eltern mit fester Anwesenheit im Büro arbeiten. Väter machten bei völlig freier Arbeitszeitgestaltung durchschnittlich vier Überstunden in der Woche, Mütter arbeiteten eine knappe Stunde länger, schreibt die Arbeitszeitforscherin Yvonne Lott in ihrer vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Böckler-Stiftung veröffentlichten repräsentativen Befragung von rund 30.000 Bundesbürgern.
Mobiles Arbeiten soll flexibler machen. Arbeitgeber sparen auf diese Weise Büroflächen, Mitarbeiter zumindest Arbeitswege, wenn sie von daheim aus arbeiten. Auch lassen sich manche Aufgaben besser, schneller und effizienter erledigen als im hektischen Büroalltag, so die verbreitete Auffassung. Die zumindest zeitweilige Auslagerung des Arbeitsplatzes in das Home Office führt zur Produktivitätssteigerung gegenüber dem Großraumbüro, welches vielfältige Ablenkungen mit sich bringt. Eine Studie der Stanford University bestätigt, dass Heimarbeiter im Schnitt gute neun Prozent produktiver sind, als die Mitarbeiter im Büro.
Mobiles Arbeiten sorgt oft für Stress mit der Familie und Vereinsamung.
Home Office klingt wunderbar: Zuhause arbeiten, damit man Beruf und Familie besser vereinbaren kann. Flexibel arbeiten, digital mit dem Büro verbunden sein, während das Baby schläft, die Spül- und Waschmaschine laufen. Das spart Fahrtkosten und -zeiten, darüber hinaus sind Pausen und der Arbeitsrhythmus selbstbestimmt.
Mobiles Arbeiten sorgt oft für Konflikte mit der Familie und für Stress hat eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zum Thema Arbeiten im Home-Office herausgefunden. Wer Zuhause arbeitet, hat zwar mehr Zeitsouveränität im beruflichen Alltag, aber die Grenzen zwischen zwischen Arbeits- und Privatleben verschwimmen zunehmend. Auch, weil mitunter zu Tageszeiten gearbeitet wird, die üblicherweise für private Aktivitäten reserviert sind, etwa dem Abend. „Häufig entsteht Stress, wenn Job und Freizeit durchmischt werden. Wenn die Arbeit mit in den Feierabend oder das Wochenende wandert“, sagt Arbeitssoziologin Gerlinde Vogl.
Eine neue Untersuchung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) der Vereinten Nationen bestätigt dieses Stresspotential. Viele Beschäftigte klagen demnach gerade im Home Office über Erschöpfung. Für die Studie verglichen die Forscher Daten von Beschäftigten aus 15 Ländern. 42 Prozent derjenigen, die entweder ständig mobil oder nur von zu Hause aus arbeiten, klagen über hohen Stress und leiden unter Schlafstörungen. Bei Beschäftigten, die im Büro arbeiten, ist es dagegen nicht einmal jeder Dritte.
Und auch der vermeintlich Vorteil, von zu Hause aus tätig sein zu können, stellt sich für viele als Problem dar: Die Entgrenzung von Arbeit und Privatleben ist für die meisten Befragten nicht unproblematisch. Besonders bei jenen, die gar keine Anbindung mehr an ein Büro haben, ist auch die Einsamkeit im Home Office ein Thema. Allerdings betonen sie auch, dass sie die Freiheit und Autonomie als Heimarbeiter als großen Vorteil schätzen.
Damit bei BMW der Austausch mit den Kollegen und die gemeinsame Teamarbeit nicht auf der Strecke bleibt, sollen die Mitarbeiter nur tageweise im Home Office arbeiten. Damit trägt das Unternehmen den Ergebnissen der vorgenannten Studien Rechnung.
Ist das Home Office tatsächlich noch die bessere Lösung? Wie siehst Du das?
Ich wünsche Dir wundervolle Impulse für die nächsten 7 Tage.
Bleibe inspiriert.
Holger
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Quellen:
- Wirtschaftswoche, https://www.wiwo.de/erfolg/beruf/home-office-wer-zu-hause-arbeitet-macht-mehr-ueberstunden/13895650.html
- Zeit, https://www.zeit.de/arbeit/2018-11/arbeitsrecht-mobiles-arbeiten-homeoffice-erreichbarkeit-dienstreisen/komplettansicht?print
- Rheinische Post, https://rp-online.de/wirtschaft/arbeit/studie-eltern-machen-im-homeoffice-mehr-ueberstunden-als-im-betrieb_aid-37165693
- Zeit, https://www.zeit.de/karriere/beruf/2013-09/home-office-mobiles-arbeiten
- Zeit, https://www.zeit.de/karriere/beruf/2017-03/homeoffice-stress-gesundheit-bezahlung-mitarbeiter-studie
- NRZ, https://www.nrz.de/wirtschaft/viele-arbeitnehmer-leiden-unter-stress-im-home-office-id215434221.html